Acht Gründe, warum wir Noten brauchen

Bewertung liegt voll im Trend: Auf Instagram wird das Aussehen von Influencer*innen bestaunt, ein Schlaftracker sagt uns, wie gut wir geschlafen haben, und selbst das mittlere Management unscheinbarer Unternehmen wird anhand von Kennzahlen vergütet. Da ist es nur konsequent, dass die Schule Kinder früh darauf vorbereitet, bewertet zu werden: mit Noten. Eine Polemik. 

Der Aufschrei ist groß: In Hessen wird es Schulen ab sofort freigestellt, ob sie Noten vergebenoder individuelle Rückmeldungen verteilen. Zwar dürfen nur einige wenige Schulen teilnehmen, die Debatte tobt aber heftig. Und sie tobt zurecht! Denn wer kann ernsthaft glauben, dass die Abschaffung von Noten eine Option wäre? Acht Gründe, warum wir Noten brauchen. 

  • Weil es die Mehrheit will

Eineeilig in Auftrag gegebene Studie hat ergeben:Die Mehrheit der Deutschen will an Noten festhalten. Und Politik gegen die Mehrheit zu machen, liebe Parteien, das kommt gar nicht gut an. Also nehmt diese (und alle anderen) Umfrage(n) bitte ernst und macht, was die Mehrheit befiehlt: Behaltet die Noten. Sie wird schon Recht haben. 

  • Um junge Menschen daran zu gewöhnen, dass sie ständig bewertet werden

In unserer Welt wird man ständig bewertet: Der Waschbrettbauch auf Instagram, das Abendessen auf Pinterest, die Eloquenz auf Twitter, die Coolness im Freundeskreis. Man hat ein Kreditranking bei der Schufa, kriegt Arbeitszeugnisse, die Waage zeigt unser (Über-)Gewicht an. Noten sind da nur folgerichtig: Sie bereiten Kinder darauf vor, dass sie ständig bewertet werden. Mehr noch: Sie werden darauf getrimmt, sich auch ja anzustrengen, damit sie nicht wie die versetzungsgefährdeten Loser aus der letzten Reihe ausgelacht werden.

Notenfreiheit schafft Grüne

  • Um nicht noch mehr Grünenwähler*innen zu erschaffen

Keine Noten – das kannte man bisher nur aus Waldorfschulen und anderen Tanz-deinen-Namen-Vereinen. Dass diese „Bildungseinrichtungen“ vor allem Hippies hervorbringen, wissen wir alle. Auch Hippies werden erwachsen, dann werden sie Grüne. Wenn man Kinder früh genug an Leistung gewöhnt, wählen sie später auch etwas Vernünftiges. Dabei helfen Noten. 

  • Damit wir in homogeneren Gruppen lernen können

Diversität ist toll. Aber seien wir doch mal ehrlich: Justus lernt viel besser, wenn er neben Jonas sitzt. Özgürs Eltern können ihr eben nicht soviel Unterstützung mitgeben, ebenso wie Ronnys. Das hält den Unterricht auf, und Justus muss möglichst viel lernen, um später so einen tollen Job wie Papi zu bekommen. Mit Noten können wir dafür sorgen, dass das Lernumfeld schön homogen bleibt.

  • Damit Schüler*innen nicht faul werden

Konsum prägt unser Dasein: Wir lassen uns von Netflix berieseln, gehen Samstagvormittag mit tausenden anderen Menschen gemeinsam shoppen und sind stolz auf unsere Neuerwerbungen. Natürlich müssen wir sie allen zeigen. Das alles gibt es aber nicht umsonst. Unser Land ist auf Leistung aufgebaut. Es ist nur folgerichtig, dass die CDU Hessen erklärt, dass das Leistungsprinzip keineswegs abgeschafft würde. Aber, liebe CDU, wofür sollen Kinder sich denn bitte anstrengen, wenn nicht für die 2 auf dem Zeugnis? 

Für Noten lernen wir

  • Damit sie Stoff lernen, den sie für ihr späteres Leben brauchen

Was wäre unser Arbeitsleben ohne den Dreisatz, das Energieerhaltungsgesetz oder die Abläufe der Photosynthese? Genau: Undenkbar. Klar, Excel, Word und Outlook sind ebenso wichtig wie die korrekte Benutzung von Höflichkeitsfloskeln oder Kompetenzdarstellungskompetenz, aber den Dreisatz brauchen wir schon manchmal, irgendwann, vielleicht. Und wir hätten ihn nie gelernt, wären wir dazu nicht gezwungen worden. Denn ganz ehrlich: Wer hat denn jemals einer Lehrperson geglaubt, wenn sie sagte: „Das braucht ihr später ganz sicher!“?

  • Damit noch jemand BWL studiert

Seien wir ganz ehrlich: BWL studieren macht keinen Spaß. Man lernt Fußnoten auf Folien auswendig, rechnet irgendwelche Kennzahlen aus und schreibt Marketingkonzepte, die sowieso nicht funktionieren. Vor allem plappert man nach, was ein hochwichtiger Mensch im Hörsaal einem eingebläut hat. Warum sollte man das freiwillig tun, wenn nicht, weil einen die Schule auf so eine Lernumgebung vorbereitet hätte? Wenn sie uns nicht vermittelt hätte, dass Auswendiglernen und Nachplappern zum Erfolg (1+) führt? 

Noten lassen den Kapitalismus funktionieren

  • Damit der Kapitalismus funktioniert

Noten sind essentiell, damit der Kapitalismus funktioniert. Denn zusammen mit Hierarchien und Frontalunterricht sind sie die Garantien dafür, dass unsere Welt funktioniert. Noten bereiten unsere Kinder besser als alles andere auf den Kapitalismus vor. Und um in dem zu bestehen, müssen sie folgsam sein, Hierarchien beachten – und belohnt oder bestraft werden. Was würde sich dafür besser eignen als die Zahlen von 1 bis 6?