Erstakademiker_innen haben es nicht leicht an Hochschulen: Diese sind nicht auf sie eingestellt. Dabei hat diese Gruppe spezielle Probleme, auf die stärker eingegangen werden muss. Seit kurzer Zeit setzen sich verschiedene Initiativen wie Arbeiterkind.de für diese Gruppe ein. Doch wer ist eigentlich zuständig?
Patrick Hintze hat es durch den Bildungstrichter geschafft: Er hat einen Uniabschluss gemacht. Damit hat er erreicht, wovon viele Erstakademiker_innen kaum zu träumen wagen. Nur ein Viertel von ihnen kommt an die Hochschule – im Gegensatz zu drei Vierteln aller Akademikerkinder. Dies zeigen Zahlen des Deutschen Studentenwerkes.
Fehlende Orientierung ist das größte Problem
„Das größte Problem ist es, sich zurechtzufinden: Wie organisiere ich mir meinen Stundenplan, meine Arbeit? Kann man Dozenten einfach ansprechen?“, sagt Patrick Hintze. Auch die Finanzierung ist eine Schwierigkeit: Erstakademiker_innen wissen selten, welche Finanzierungsmöglichkeiten sie haben. Das Elternhaus kann oder will dabei oft nicht helfen. Oft ist eine Ausbildung dann näher liegend, weil hier sofort Geld verdient wird und nach ein paar Jahren eine scheinbar sichere, zumindest klare Berufsperspektive winkt.
Die Initiative Arbeiterkind.de, die Erstakademikern rund ums Studium hilft, sieht noch weitere Probleme: „Oft fehlen den jungen Menschen aber auch Informationen oder der Mut, um sich auf eine akademische Laufbahn einzulassen.“ Patrick Hintze hat geholfen, dass in seinem Umfeld viele Menschen studieren wollten: „Dass ich studieren will, stand relativ früh fest.“
Politik und Hochschulen tun zu wenig
Hochschulen sind kaum auf andere Gruppen als Akademikerkinder eingestellt. Das sind allerdings nur ein Zehntel der Studierenden (die Wunschkandidat_innen, die besonders angepasst sind an den akademischen Kontext) – also auch nur ein Bruchteil der Akademikerkinder. Dies fand die Untersuchung CHE-Questheraus. „Hochschulen sollten vor allem in die Schulen gehen und über Studium und die Lebensperspektive Studierender informieren,“ sagt Hintze. Auch auf Eltern müsse zugegangen werden, da diese die Studierentscheidung maßgeblich beeinflussen. Daneben wird eine individuelle Betreuung der Studierenden immer wichtiger, damit Einzelne nicht im Massenbetrieb untergehen. Die Einzelbetreuung ist ressourcenaufwendig, und Hochschulen haben chronisch zu wenig Personal, das darüber hinaus aufgrund der Berufungslogik stärker an Forschung statt an Studium und Lehre orientiert ist. Es gibt jedoch keine wirkungsvolle Alternative. Nur, wenn auf die spezifischen Bedürfnisse von Studierenden im Studium eingegangen wird, wenn Diversität als Chance begriffen wird, können möglichst viele Studierende ihr Studium erfolgreich abschließen.
Auch wenn die Politik die Verantwortung für Erstakademiker gern an die Hochschulen abgibt, kann auch sie etwas tun, insbesondere bei der Finanzierung. Patrick Hintze fordert sogar ein elternunabhängiges BaföG für Studierende: „Auch für die, die es eigentlich nicht brauchen – der eingesparte Verwaltungsaufwand für das BaföG würde einige Mittel zur Verfügung stellen.“ Darüber hinaus würde eine bessere Informationspolitik rund ums Studium helfen – am besten bereits in den Schulen.
Wer ist verantwortlich?
Neben Arbeiterkind.de engagieren sich auch weitere Initiativen wie Rock your lifeoder derStudienkompassfür Erstakademiker_innen. „Mir hätte das Mentoring von Arbeiterkind.de als Student geholfen. Die Kommunikation auf Augenhöhe ist hier sehr wichtig,“ meint Hintze. Die unterstützende Arbeit dieser Vereine ist wichtig, doch strukturelle Veränderungen wollen sie nicht erreichen.Sie greifen ein, wo der Staat versagt. Es bleibt die Frage: Wer soll sich Erstakademiker_innen annehmen – Politik, Hochschulen, oder Zivilgesellschaft?