Philipp Breder ist jung und macht Bildungspolitik – für die Juso-Hochschulgruppen und in der SPD. Wie er dazu kam, welche Möglichkeiten er für eine junge Stimme in der Politik sieht und welche Grenzen es gibt, hat unser Autor Rainald Manthe mit ihm erkundet. Ein Portrait.
Den Antifa-Pulli hat er dann doch nicht angezogen. Stattdessen hat er ein Hemd an, einen Pullover und Jeans; Sachen, in denen er seriös aussieht. Philipp Brederkommt direkt aus dem Bundestag. Er legt den Pullover auf den Tisch, neben die Vorlagenmappe und die Bahncard 50 Comfort Business, „mit Zugang zur DB-Lounge“ sagt er. Bei dem Satz muss er lachen. Das sind die Insignien seines Engagements. Warum Antifa, Herr Breder? „Rechtsradikalismus ist eine große Gefahr für unsere Demokratie. Deshalb gilt es – auch auf der Straße – deutlich zu machen, dass in unserer Gesellschaft kein Platz für Fremdenfeindlichkeit, Intoleranz und Antisemitismus ist. Für meine Ideale einzutreten ist für mich Herzenssache – dafür nehme ich mir Zeit, auch wenn ich viel zu tun habe.“ Doch seine Hauptbeschäftigung ist eine andere.
Breder ist eine junge Stimme in der Bildungspolitik
Philipp Breder macht etwas, was es in Deutschland zu wenig gibt: Er bringt sich als junger Mensch – fest eingebunden – in institutionalisierten politischen Strukturen ein. Als Mitglied des Vorstandes der Juso-Hochschulgruppen sitzt er alle zwei Wochen in der Arbeitsgruppe „Bildung und Forschung“ der SPD-Bundestagsfraktion. Bildungspolitik – so auch die Erfahrung von Was bildet ihr uns ein?– wird vorwiegend von alten, weißen Menschen gemacht. Menschen, die das Bildungssystem schon lange nicht mehr als Betroffene erleben. Menschen, die es geschafft haben. Philipp Breder bringt in die Fraktions-AG junge Perspektiven ein: „Als beratendes Mitglied nehme ich einerseits Informationen für die Arbeit bei den Juso-Hochschulgruppen mit. Andererseits bin ich oft das studentische Gewissen der Abgeordneten.“ Das Gewissen kann er sein, weil er freier ist in seiner Positionierung. Abgeordnete sind – gerade in einer Großen Koalition – an die Koalitionsdisziplin gebunden. Das führt dazu, dass die Debatten in der Arbeitsgruppe weniger kreativ und innovativ werden – wie könnte Breder sich sonst als studentisches Gewissen der Abgeordneten bezeichnen? Er kann in der AG Positionen der Juso-Hochschulgruppen vorbringen, die er selbst mitentwickelt hat. Positionen zu entwickeln, an Standpunkten zu tüfteln – das scheint ihm Spaß zu machen, das merkt man, wenn er darüber redet.
Die Arbeit in der AG schafft vor allem Kommunikationsmöglichkeiten: Man kommt über Themen ins Gespräch, abweichende (parteiinterne) Positionen werden ausgetauscht, manche Vorschläge von Breder werden berücksichtigt (vor allem, wenn sie nichts kosten). Auch das ist Politik: der produktive Austausch unterschiedlicher Positionen. Vom herrschaftsfreien Diskurs, in dem sich das bessere Argument durchsetzt, ist dies aber weit entfernt: Im Zweifel können die regierenden Parteien einfach entscheiden. Es geht um Macht, um Bezahlbarkeit, nicht immer um Sinnhaftigkeit. Natürlich frustriert ihn das manchmal, „aber solange ich das Gefühl habe, dass meine Position ernst genommen wird, ist das in Ordnung.“
Politik ist etwas, was Breder trotz seiner jungen 22 Jahre schon länger verfolgt. Bereits in der Schule war er Schüler_innenvertreter. Im Kommunalwahlkampf 2009 trat er der SPD bei, vorher schon engagierte er sich bei den Jusos: „Ich wollte etwas für Jugendliche tun.“ Familiär vorgezeichnet war das nicht: Seine Familie war keine klassische SPD-Familie mit Parteibuch. Politisiert wurde er in der Debatte um das acht- oder neunjährige Gymnasium. Zum Jurastudium zog er dann aus dem ostwestfälischen Löhne nach Münster und engagierte sich in der Fachschaft und bei der Juso-Hochschulgruppe. Schnell wurde er in den AStA gewählt, dem schon Ulrike Meinhof angehörte, und koordinierte später die Juso-Hochschulgruppen in Nordrhein-Westfalen.
Schließlich kam er in den Bundesvorstand der Juso-Hochschulgruppen: „Ich wurde gefragt, ob ich mir das nicht vorstellen könnte und es menschelte mit anderen Kandidat_innen. Jetzt macht es unheimlich viel Spaß, vor allem die Seminare und Veranstaltungen, die wir geben, etwa zu den Grundlagen jungsozialistischer Hochschulpolitik oder der Politisierung von Studierenden.“ Ende 2014 wurde er wiedergewählt – mit dem besten Ergebnis aller Kandidat_innen.
Es braucht eine neue partizipativere Politik der Politik
Politik ist in Deutschland meist Geheimsache: Zwar werden Ergebnisse der Presse zugänglich gemacht. Die Beratungen, das Zustandekommen von Kompromissen, die Absprachen und Verhandlungen – all das ist jedoch nicht öffentlich zugänglich. Auch die Arbeitsgruppe der SPD-Fraktion und die Juso-Hochschulgruppen wollten keine Journalist_innen dabei haben. Ein Blick hinter die Kulissen bleibt also verwehrt. Da verwundert es wenig, dass es in der breiten Bevölkerung kein Verständnis für politische Prozesse gibt.
Wie könnten Kenntnisse über Politik schon bei jungen Menschen geschaffen werden, Herr Breder? „Junge Menschen einzubinden hat etwas mit dem Politikverständnis zu tun, das man hat. Mir geht es um eine andere, partizipativere ‚Politik der Politik‘.“ Man müsse Menschen, vor allem junge, einbinden, „auch wenn es unbequem ist, zum Beispiel in Stadträte, in Ausschüsse in der Kommunalpolitik oder auch im BAföG-Beirat,“ sagt er. „Nur durch eine frühe und wirksame Einbindung von jungen Menschen kann Politik langfristig partizipativer und auch besser werden.“ Unpolitisch seien junge Menschen ganz und gar nicht – sie engagierten sich heute nur anders, projektbezogener. Die Politik hat bisher verpasst, darauf angemessen zu reagieren. „Vor allem der Einstieg sollte erleichtert werden. Merkt man erst einmal, wie viel Spaß Politik machen kann, bleibt man oft dabei.“ Einer dieser Einstiege könnte die Beteiligung als Betroffene_r sein, zum Beispiel als Schüler_in in der Schule. Daneben wünscht sich Philipp Breder eine informiertere Politik, etwa durch eine stärkere Einbeziehung von Fachleuten und Praktiker_innen.
Warum werden junge Menschen bisher nicht ausreichend in Politik einbezogen? Würden sie das Machtmonopol weißer Mittelschichtsangehöriger mit ähnlichem Habitus stören? Ursachenforschung, die zu betreiben sich lohnt, will man eine neue partizipativere Politik vorantreiben.
Bei ihm ist es wie bei vielen jungen Hoffnungsträger_innen: Politiker zu werden kann er sich trotz dieser positiven Erfahrungen nicht vorstellen. Zu groß sind die Entbehrungen, aber auch der Druck der permanenten Öffentlichkeit. „Und feste Arbeitszeiten haben ja auch ihr Gutes. Man hat dann noch Zeit für Hobbies, etwa Demonstrationen gegen Rechtsradikalismus“, sagt er und schaut auf seinen Antifa-Pullover. Die Zukunft? Dafür hat er noch keine konkreten Pläne. Fest steht aber: Politik wird immer ein Bestandteil seines Lebens bleiben: „Den politischen Menschen Philipp Breder wird es immer geben.“
Der Beitrag erschien zuerst am 19.01.2015 auf www.wasbildetihrunsein.de.