Die Bundesregierung plant die Einrichtung einer Ehrenamtsstiftung. Diese könnte die Zivilgesellschaft in Deutschland voranbringen. Doch was soll sie fördern? Ein paar Vorschläge.
Ehrenamt und Zivilgesellschaft wollen sie stärken. Darauf haben sich CDU, CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag geeinigt. Ein Baustein soll dabei eine Ehrenamts- oder Engagementstiftung sein (der Name variiert). Für sie sind bereits im Haushalt für 2019 ca. 30 Mio. Euro eingestellt.
Viel gehört hat man von dem Thema seitdem nicht mehr. Es fand eine Umfrage unter zivilgesellschaftlichen Partnern des federführenden Bundesfamilienministzeriums statt, die Grünen haben eine Kleine Anfragegestellt. Ergebnis: Die Bundesregierung berät momentan über die Ausgestaltung der Stiftung.
Stiftungen unterstützen dauerhaft
Gründet man eine Stiftung, schafft man damit ein Instrument, das dauerhafter Bestand hat als andere Organisationsformen – und unabhängiger ist vom politischen Tagesgeschäft als direkte Projektförderungen.
Beispiele gibt es auch aus einigen Bundesländern. Die Ansätze dort sind unterschiedlich: Während in Bayern finanzielle Förderung im Vordergrund steht, vergeben die Stiftungen in Thüringen und MV Preise, es wird bei Fördermitteln beraten, in Mecklenburg-Vorpommern gibt es sogar ein eigenes Weiterbildungsprogramm für Ehrenamtliche (ein Weg, den auch Brandenburg gerade in einem Modellprojekt geht).
Was eine Ehrenamtsstiftung leisten könnte
Was könnte also eine Ehrenamtsstiftung auf Bundesebene leisten? Einige Vorschläge, wie die Stiftung Zivilgesellschaft stärken könnte:
- Weg von der Projektitis: Weite Bereiche der Zivilgesellschaft werden über Projekte gefördert. In diesen sollen jeweils spezifische Projektziele in einem Bereich erreicht werden. Die Laufzeit ist begrenzt, häufig sogar auf wenige Jahre oder kürzer. Das Problem dabei: Die Großziele in der Projektlandschaft unterliegen Moden, und diese Moden wechseln alle paar Jahre. Das bedeutet zweierlei: Ständig neue Anträge schreiben, und den Fokus der eigenen Arbeit angelehnt an diese Moden immer wieder verschieben. Gleichzeitig gibt es aber zivilgesellschaftliche Dauerbaustellen. Solche Daueraufgaben sollten auch dauerhaft finanziert werden. Deshalb könnte die Ehrenamtsstiftung Geschäftsstellen in als gesellschaftlich relevant angesehenen Bereichen dauerhaft und ausreichend fördern. Das könnten z.B. die Bereiche Bildungsengagement, Jugendbeteiligung oder Medienbildung sein.
- Förderung außerhalb bestehender Organisationsstrukturen: Die Zivilgesellschaft in Deutschland ist geprägt von Vereinen und Verbänden. Das ist auch gut so, denn sie bilden das Rückgrat der Demokratie und bieten vielen Menschen Möglichkeiten, sich einzubringen. Aber auch neben Vereinen gibt es viel zivilgesellschaftliches Engagement, das sich auf manchmal unkonventionelle Wege für das Gemeinwohl einsetzt. Diese Menschen haben es in bestehenden Förderprogrammen oft schwer. Die Ehrenamtsstiftung sollte deshalb Möglichkeiten schaffen, sowohl Einzelpersonen (z.B. durch Stipendien) wie auch nicht als juristische Personen eingetragene Gruppen und ihre Ideen zu fördern. Hierfür müssten z.B. auch Haftungsfragen neu geklärt werden.
- Weiterbildungsakademie: Im Ehrenamt gibt es viel Willen, sich einzubringen und auch viele Kompetenzen. Häufig mangelt es aber an spezifischem Wissen, oder es ist an bestimmte Personen gebunden – und verschwindet, wenn diese andere Schwerpunkte in ihrem Leben setzen. Deshalb stellt sich immer wieder die Herausforderung, Kompetenzen aufzubauen: Welche Rechte und Pflichten hat ein Verein, wie gewinne ich neue Mitstreitende, wie funktioniert diese DSGVO oder wie gehe ich mit Konfliktsituationen um? Wie schreibe ich Projektanträge, nach welchen Logiken funktioniert ein Verwaltungsapparat oder wie moderiere ich eine Sitzung? Diese und viele andere Fragen tauchen immer wieder auf. Es sind Standardfragen des Ehrenamtes. Ein strukturiertes und leicht zugängliches Weiterbildungsprogramm, das ggf. auch auf regionale Programme zurückgreift, kann hier Abhilfe schaffen. Es darf nicht zu viel kosten, muss dezentral stattfinden, und vor allem am Bedarf orientiert sein. Onlineabfragen sowie blended-learning-Konzepte können helfen, es in den Alltag vieler Menschen zu integrieren. Am Ende könnten Zertifikate stehen, die u.a. für die Freistellung von Arbeit oder Bildung (siehe nächster Punkt) genutzt werden könnten. Sie sollten als Bildungsurlaub anerkannt werden. Mentoringprogramme und regelmäßige Vernetzungsmöglichkeiten – digital wie analog – für Ehrenamtliche können diese Linie ergänzen.
- Zeit für Ehrenamt: Je stärker man im Privat- und Berufsleben eingebunden ist, desto weniger kann man sich gesellschaftlich darüber hinaus einbringen. Die Anforderungen im Berufsleben sind in den letzten Jahrzehnten – trotz Bemühungen um Arbeitszeitreduktion – gestiegen. Ehrenamt kostet Zeit. Diese Zeitressourcen könnten z.B. dadurch unterstützt werden, dass a) ehrenamtliche Leistungen im Studium, der Ausbildung oder der Schule anerkannt werden (wie z.B. die Debatte um #fridaysforfuture zeigt); b) es analog zum Bildungsurlaub einen bezahlten Anspruch auf „Engagementurlaub“ gibt; c) analog zur Elternzeit eine bezahlte „Engagementzeit“ gestiftet wird; und d) die Anrechnung für auf Sozialleistungen wie die Rente sichergestellt wird. Die Ehrenamtsstiftung könnte diese Formate vorantreiben, Politik dahingehend beraten, und die Vergütung für einen Teil davon übernehmen.
- Begegnungs- und Arbeitsräume für die Zivilgesellschaft: Mieten steigen, und auch zivilgesellschaftliche Organisationen werden – mindestens in Großstädten – immer weiter an die Stadtränder verdrängt. Auf dem Land verfallen Begegnungsräume, ihre Wiederherrichtung erfolgt häufig nur auf Grundlage von Engagement. Gleichzeitig ist es schwierig für Initiativen, Räume für Treffen oder Workshops zu finden, ohne viel Geld dafür zu zahlen. Die Förderung von Häusern für die Zivilgesellschaft, die sowohl Vereinen und Verbänden Arbeitsräume bieten als auch Gruppen Treffpunkte und die Möglichkeit, sich zu vernetzen, könnte ein weiterer Förderschwerpunkt der Ehrenamtsstiftung werden. Investitionen in Gebäude und deren Erhaltung sind hoch und schwer von einzelnen, kleineren Organisationen zu stemmen. Eine Bundesstiftung kann diese Mittel aber problemlos aufbringen und durch Mieteinnahmen wieder einnehmen sowie einen Teil der Räume bezuschussen. Zivilgesellschaft braucht Orte, an denen sie sich treffen kann.
Eine Ehrenamtsstiftung hat das Zeug, die Zivilgesellschaft in Deutschland dauerhaft zu stärken. Dafür ist es wichtig, dass sie neben etablierten Formaten auch neue Ideen vorantreibt, ausprobiert, und bei Erfolg verstetigt.