Gerade findet wieder das Weltwirtschaftsforum in Davos statt. Regierungschefs, Wirtschaftsgrößen (und solche, die es werden wollen) und der finanzkräftige Teil der Zivilgesellschaft diskutieren über die Lage der Welt. Doch eines fehlt: Das Weltsozialforum als Gegengewicht.
Trump kommt nicht, Macron nicht, Theresa May ist zu beschäftigt mit ihrem maybe-that-or-no-deal-Problem. Die leere Gästeliste ist das dominierende Thema in der Berichterstattung zum diesjährigen Weltwirtschaftsforum in Davos. Klar, das ermöglicht es, über mehr als Trumps Auftritt zu diskutieren wie im vergangenen Jahr, zum Beispiel wieder einmal über die Chancen der Digitalisierung. Auch die schön klingenden Apelle von Merkel & Co, dass man Globalisierung gestalten müsse, werden berichtet.
Das ist alles sehr erwartbar, es sind kaum Impulse zu erwarten. Das war einmal anders: In den 2000er Jahren fand das Welttreffen sozialer Bewegungen, das Weltsozialforum, zeitgleich mit dem Treffen von Davos statt. Als das Weltsozialforum 2001 zum ersten Mal stattfand, wurde es sogar explizit zum Gegenevent ausgerufen: Hier traf sich die Weltzivilgesellschaft, dort die Wirtschaftsbosse.
Die Treffen sind sich ähnlicher als gedacht
Dabei sind beide Treffen sich ähnlicher, als sie zugeben wollen: Beide wollen die Welt nach ihren Vorstellungen verbessern; beide fassen keine Beschlüsse, sondern beschränken sich auf Diskussionen; es gibt jeweils eigene Promis; und beide sind riesige Konferenzen mit einer Vielzahl von Workshops und Veranstaltungen, in denen man sich schnell verlieren kann.
Heute findet das Weltsozialforum nur noch sporadisch statt, zumeist im Sommer. Das Klima ist rauer geworden für soziale Bewegungen, auch politische Vereinnahmung und organisatorische Schwierigkeiten haben dem Welttreffen sozialer Bewegungen zu schaffen gemacht. Seine erstatzlose Abschaffung wurde mehr als einmal gefordert.
Und doch: Das Weltsozialforum fehlt. Es fehlt nicht nur als Treffpunkt sozialer Bewegungen, als Ort, auf dem sie sich austauschen können. Es fehlt auch als öffentliches Gegengewicht zum Weltwirtschaftsforum. Heute scheint es, als würden Entscheidungen über den Fortgang der Welt allein von Eliten getroffen. Natürlich darf Oxfam alljährlich seinen Bericht zur Ungleichheit auf der Weltveröffentlichen, dürfen bestimmte NGOs mitreden. Aber eine breite, bunte Zivilgesellschaft findet medial kaum noch statt.
Es fehlt an Denkalternativen
Dadurch beschränkt wird auch die Art, wie Zukunft gedacht wird. Es wird zwar darüber gesprochen, ob eine Zukunft mit oder ohne Trump möglich wäre; ob ein paar Verbesserungen an Autos das Klima verbessern können oder wie Migration für die Wirtschaft zweckmäßig geregelt werden kann. Was fehlt, sind radikalere Alternativen, die die Welt einmal anders aussehen lassen.
Vielleicht ändert es sich auch wieder. Zurzeit wird über ein Weltsozialforum 2020 in Mexiko diskutiert – vielleicht ja wieder Ende Januar? Die Temperaturen wären jedenfalls erträglich, die mediale Wirkung sicherlich groß. Es wird Zeit, dass soziale Bewegungen wieder an Terrain gewinnen – auch medial.